Nachdem ich aus verschiedenen Gründen längere Zeit keine Unterstufenschüler mehr unterrichtet hatte, habe ich im Schuljahr 2023/2024 seit langem wieder ein 7. Klasse als stellvertretender Klassenlehrer bekommen – in diesem Paket kam auch die Begleitung der Klasse ins Schullandheim mit. Das hat mir ausgesprochen gut gefallen, und ein paar Leute haben auf Mastodon nachgefragt, darum hier ein kleiner Hintergrundbericht aus der Sicht eines mittelalten Lehrers, der an dieser Veranstaltung zum erstem Mal teilnehmen durfte.

Konzept

Traditionell fahren alle 7. Klassen eine Woche ins Schullandheim, und zwar nicht irgendwo ans Meer, sondern mitten im Winter (wir waren von 19.02-23.02.2024 dort) zu AlbERGO 1auf die schwäbische Alb – das ist von unserem Schulort nur etwa 25km entfernt, der Thrill ist also sicherlich nicht die Reise.

Nach der Begrüßung der Gruppe durch die beiden Erlebnispädagogen wurden die Schülerinnen in 2 Gruppen aufgeteilt, da die Unterbringung in zwei Gebäuden (Haus und Scheune) erfolgt, die als „Wohngemeinschaft“ von den jeweiligen Teilgruppen bewohnt werden. Die erste Hürde für die Lehrperson besteht darin, die „normalen“ Reflexe, die Schülerinnen zu Wohlverhalten aufzufordern, um nicht aus der Jugendherberge zu fliegen radikal zu unterdrücken. So hatten die Kinder in der WG „Haus“, für die ich zuständig war, nach über einer Stunde Gespräch mit Clemens dem Pädagogen immer noch keinen Klodienst, und immer noch einige Schwierigkeiten, sich und den Pädagogen aussprechen zu lassen, aber – und das muss man als Lehrer eben aushalten – das macht gar nix aus.

Die gesamte Veranstaltung steht unter der Überschrift „Verantwortung übernehmen“, die Idee ist also, dass sich Dinge über die Woche verändern und vielleicht verbessern, und dafür gibt es eben sehr viel mehr Zeit, als im 45Minuten Raster der Schule. Die Übernahme der Verantwortung kann auch als Gruppe geschehen, die zweite Gruppe in der Scheune hat sich z.B. dafür entschieden, alle Aufgaben gemeinschaftlich zu übernehmen und gar keine Dienste eingeteilt – und das hat sehr gut funktioniert.

Weitere Dienste umfassten den Essenholdienst (bei einem nahen Gasthof musste das Essen in Isolierbehältern geholt und diese nach dem Abwasch zurückgebracht werden) , Küchendienst für Frühstück und Abendessen (muss Tisch decken, Speisen anrichten, abräumen und abwaschen, mit Hilfe einer Spülmaschine), in der WG „Haus“ musste ein Ofendienst eingeteilt werden, da dort mit einem zentralen Holzofen geheizt wird, der im Februar besser nicht ganz ausgehen sollte.

Die Programmkonzeption ist darauf ausgerichtet, dass sich die Schülerinnen individuell weiterentwickeln und reflektieren können, Gruppenprozesse finden naturgemäß auch statt, es ist aber nicht zentrales Ziel der Woche, die Gruppe zusammenzubringen. Vor diesem Hintergrund ist es auch zu verschmerzen, dass die Schülerinnen wegen ihrer Profilwahl in Klasse 8 in neue Klassengemeinschaften „gemischt“ werden.

Praktisch alle Aktivitäten finden draußen statt, außer den längeren Gesprächsphasen.

Das Programm

Das grobe Programmraster sah bei unserem Aufenthalt so aus, wie unten aufgelistet, es gibt aber auch andere Aktivitäten wie Abseilen u.ä. die wir nicht gemacht haben, aber bei anderen Witterungsverhältnissen oder Gruppenkonstellationen zum Einsatz kommen. Zentraler Programmpunkt ist die „große Expedition“ am Donnerstag, bei der die Schülerinnen in Gruppen mit dem Bus ausgesetzt werden und – nur bewaffnet mit Karte und Kompass – zurück zum Albergo laufen und finden müssen.2

Montag

Vormittags: Einteilung der WGs, Dienste, Kennenlernen der Gruppe mit den Erlebnispädagoginnen.

Nachmittags: Outdoorspiel am Grillplatz, Einweisung in Karte und Kompass mit Orientierungsübung: Die Schülerinnen laufen über in eine Karte eingezeichnete Punkte in Gruppen vom Grillplatz zurück zum Albergo.

Dienstag

Baumklettern – die Schülerinnen klettern in Seilschaften von 3-6 Personen auf dafür vorbereitete Fichten. Die Kletterbäume stehen in unterschiedlichen Schwierigkeiten zur Verfügung, an einem Baum wurde ein Top-Rope angebracht, so dass man in gerader Linie hinaufklettern und sich für den Rückweg abseilen lassen konnte. Sicherung und Abseilen übernehmen dabei Klassenkameradinnen gegenseitig. Am Dienstag haben wir die Herberge um 9:00 verlassen und sind erst um 17:00 zurückgekehrt, bei den Bäumen gabs ein Feuer und das selbsgeschmierte Vesper zum Mittagessen.

Mittwoch

Vormittags stand die Gruppenbildung für die Expedition auf dem Programm. Die Schülerinnen unterhalten sich mit den Betreuern über die besonderen Anforderungen der Expedition am Donnerstag – bei uns war das Wetter schlecht, Nachmittags war Regen, Wind und ein Temperatursturz angekündigt. Was bedeutet das für die Ausrüstung? Ist es wirklich am cleversten, einfach mit den „normalen“ Freundinnen eine Gruppe zu bilden, oder ist anderes zu beachten?

Am Nachmittag ging’s wieder zur Grillstelle, dort wurden die Schülerinnen in zwei Gruppen geteilt, die im Wechsel den Niederseilparcours und ein Seillabyrinth bearbeitet haben.

Im Niederseilparcours müssen die Schülergruppen sich gemeinsam Etappenweise durch ein Labyrinth aus Slacklines bewegen, eine Etappe ist dabei erst geschafft wenn alle Gruppenmitglieder ohne den Boden zu berühren den Abschnitt bewältigt haben, wenn einer runterfällt müssen alle den Abschnitt nochmals machen. Der Gag ist: Wenn sich zwei Gruppen auf einem Abschnitt begegnen, werden sie zu einer großen Gruppe – sie dürfen sich helfen, müssen aber bei einem Fehler auch alle zurück auf Los. Und weil im Parcours zwei Gruppen von jedem Ende aus beginnen, begegnen sich halt auch immer zwei Gruppen 😉

Im Seillabyrith führen sehende Klassenkameradinnen Personen mit verbundenen Augen durch den Wald – hierzu kann ich nicht so viel sagen, da ich den ganzen Nachmittag als Hilfestellung zur verhinderung böser Abstürze am Niederseilparcours verbracht habe.

Das Mittwochsprogramm reicht etwas in den Abend rein, hier gibt es noch Infos für das Verhalten bei der Expedition, ein paar „harte“ Regeln wie „niemals auf Strassen“, „niemals per Anhalter“ und – im Februar für die meisten nicht so wichtig – so etwas wie „Badeverbot“.

Donnerstag

Die Expediton. Die Schülergruppen werden im Bus 10-15km von Albergo entfernt „ausgesetzt“, ausgestattet mit einer Karte und Kompass sowie einem Tastenhandy, mit dem sie an manchen Stellen auf der schwäbischen Alb tatsächlich auch die Betreuer anrufen können wenn es einen „Notfall“ gibt. Was ein „Notfall“ ist, wurde am Mittwoch besprochen, der fängt etwas früher an, als man das als Erwachsener definieren würde. „Tracking“ der Gruppen findet dadurch statt, dass diese auf ihrem Weg vorgegebene Kontrollpunkte anlaufen muss und dort Zettel hinterlassen, wann sie dort waren und wie es ihnen gegangen ist. Die Betreuer sammeln diese Zettel ein und wissen so, in welchen Bereichen sich die Gruppen befinden – oder welche Gruppen sich nicht an die Regeln halten.

Freitag

Ausziehen, Aufräumen, WGs putzen. Dann gab es noch eine Abschlussrunde zu den Erlebnissen auf der Expedition und ein Fazit zur Woche, um 12:00 kommt der Bus und nimmt uns wieder mit.

Persönliches Fazit

Vor Antritt der Fahrt war ich durchaus skeptisch, und Lust hatte ich auch nur so mittel (bin echt etwas aus der Übung mit den kleineren Schülerinnen), nach der Woche muss ich aber sagen:

  • Das macht vollkommen Sinn – es ist unglaublich, was viele Schülerinnen in dieser Woche für sich mitnehmen und erreichen konnten, auch wenn die das selbst gar nicht immer vollumfänglich reflektieren können.
  • Die Erlebnispädagogen bei Albergo waren wirklich super mit den Schülerinnen, da habe ich auch nochmal über einige Sachen nachdenken können.
  • Es hat wirklich Spaß gemacht und war eine tolle Woche, obwohl es mit Personalausfall bei den Lehrkräften und Magen-Darm Virus organisatorisch eine kleine Herausforderung war.

Danke an die tolle 7a und das Team von Albergo!


  1. Genaugenommen fahren je zwei Klassen parallel, eine zu AlbERGO, die andere zu den Albläufern das Konzept ist sehr vergleichbar, und weil ich mit meiner Klasse bei AlbERGO war, berichte ich, was ich dort erlebt habe. ↩︎
  2. Wer sich fragt, was mit den Schülerhandys passiert: Die sind im Schullandheim dabei, werden aber nach Ankunft am Montag eingesammelt und von da an lediglich jeden Abend für 30 Minuten an die Schülerinnen ausgegeben. ↩︎