Muss. Bällchen. Kriegen.
Muss. Bällchen. Kriegen.

…aber eben nur das halbe!

Unter diesem Motto erscheint hier endlich einmal wieder ein Bericht zur Lage von, mit und wegen unserer Indie.

Das Hundemädchen ist mittlerweile erwachsen geworden und hat mit ihren zweieinhalb Jahren eine feste und ihrer Ansicht nach überaus bedeutende Position im Rudel inne. Es ist zwar nicht immer so, dass über eben diese Konsens zwischen den Primaten und Indie besteht, aber da sie eben bedeutend zur Erhaltung der allgemeinen und speziellen Ordnung in unserem Sozialverband beiträgt, fordert sie auch gewisse Privilegien ein. Tschüß „Keine-Hunde-auf-dem-Sofa“-Policy…

Aber schauen wir uns das genauer an: Verdient Indie ihre Privilegien überhaupt? Was macht sie so wichtig für das Rudel?

Indie bei der Arbeit
Indie bei der Arbeit

Nun, Indie arbeitet für ihren Unterhalt. Sie ist rassebedingt ein Jagdhund, und das darf sie in einem gewissen Rahmen auch ausleben. Sie wird in jagdlichen Disziplinen trainiert, sprich, sie macht Schweißarbeit (aufspüren von verletztem oder totem Wild an einer langen Fährtenleine -oder am Schweißriemen, wie der Jäger sagt- an Hand von Blutspuren des Tieres), arbeitet Schleppen (aufspüren von Wild ohne Leine an Hand von Wildgeruch, z.B. eines Kaninchens, und anschließendes Zutragen des Tieres zum Hundeführer), und sucht und apportiert auf Befehl totes Wild aus dem Wasser oder Unterholz. Dabei darf sie das Wild, das sie findet oder apportiert, natürlich nicht für sich beanspruchen und zum Beispiel verbuddeln oder auch nur aufreißen, sondern muss es unverzüglich und unversehrt bei mir abgeben. Dafür trainieren wir meist mehrere Stunden pro Woche, meist benutzen wir dazu Dummies (größen- und gewichtsstandardisierte gefüllte Stoffbeutel). Das Finden und Apportieren liegt Retrievern so im Blut, dass man es ihnen nicht groß beibringen muss, und meistens ist ihnen auch egal, in welchem Gelände sie das machen oder ob sie ihren Job schwimmend erledigen müssen (das macht es eher noch toller…). Die Herausforderung besteht darin, die Hunde dazu zu bringen, dass sie nur in Zusammenarbeit mit dem Hundeführer jagen, und auch nur, wenn sie ein Kommando bekommen, und dieses (und nur dieses!) Kommando müssen sie auch befolgen. Beispiel: Hund soll nach dem Kommando „Such verwundet“ die Schweißfährte eines verletzten Rehs verfolgen und den Hundeführer zu diesem führen. Wenn auf der Strecke frische Spuren von Hasen, Wildschweinen etc. dazwischenkommen, darf Hündchen diese nicht verfolgen, sondern muss den Job erledigen.

Indie (links) mit Luuk und ihrer Mama Hanni beim Dummy-Training
Indie (links) mit Luuk und ihrer Mama Hanni (rechts) beim Dummy-Training
Indie beim Training mit dem Dummy
Indie beim Dummy-Apport
Indie beim Fährtentraining
Indie beim Fährtentraining

Um auf Indie zurückzukommen: Mittlerweile kann ich mich darauf verlassen, dass das klappt. Besonders prima finde ich, dass sie immer „fragt“, ob wir heute jagen, wenn sie auf dem Gassi auf Wild oder Wildspuren trifft – da reicht es wenn ich den Kopf schüttle und in die andere Richtung gehe, dann findet sie mich zwar bescheuert, kommt aber diskussionslos mit. Das ist sehr entspannend… Auch entspannend: Jogger, Radfahrer, Nordic Walker etc. sind sowas von jenseits ihres Beuteschemas, dass sie gar nicht auf die Idee kommt, die spannend zu finden. Das ist sehr sozialverträglich!

Frage: Wieso macht Indie das, und auch noch mit größter Begeisterung?

Der Tennisball der Macht!
Der Tennisball der Macht!

Antwort 1: Der Tennisball ist heilig. Und filzig. Und er hopst unvorhersehbar. Und er quietscht (ist ein spezieller Ball für Hunde…). Und er ist rar: Den Tennisball gibt es ausschließlich als Belohnung für getane jagdliche (Ersatz-)Arbeit. Der Tennisball ist das Zeichen des Rudelchefs, denn der Chef darf den Tennisball jederzeit in der Tasche tragen. Wer den Tennisball hat, ist der Bestimmer…. Und: Den Tennisball kann man eintauschen, und zwar nicht gegen irgendeinen vertrockneten Gemüsekeks, nein, für den Tennisball bekommt man einen saftigen Streifen Fleisch!

Antwort 2: Hunde sind extrem rudelorientierte, soziale Tiere und außerdem von hoher Intelligenz. Die wollen nicht vor sich hindämmern und zwei mal täglich eine Klorunde drehen, die wollen gefordert werden und dafür toll gefunden werden, dass sie einen Beitrag leisten. Sprich, sie wollen sich in einem bedeutungsvollen Beziehungsgefüge sehen. Das ist bei uns zum Glück einfach, weil wir ja noch Nero haben und Indie außerdem viele Möglichkeiten hat, sich auch sonst als Rudelmitglied zu erfahren: Sie ist oft mit ihrem „Ursprungsrudel“ um ihre Mutter Hanni zusammen, die sie ja schon immer kennt – Indie kommt aus der Ringvale-Zucht von Moni, die glücklicherweise bei uns um’s Eck wohnt! Und in unserer menschlichen Familie hat es mit Labrador Momo auch nochmal Hundezuwachs gegeben, um den sie sich kümmert. Man kann wohl sagen, dass sie ein sehr erfülltes Hundeleben hat, da ist es aus ihrer Sicht wohl auch nachvollziehbar, dass ihre Privilegien ausgeweitet werden mussten… Nun, wir haben ein echt großes Sofa, da passen wir auch alle zusammen drauf 😉

An dieser Stelle sei noch kurz berichtet, wie sich die Aufgabenverteilung in unserem Hunderudel im Laufe der Zeit und durch die Umstände in letzter Zeit verschoben hat:

Nero ist auf Grund seines für seine Größe ziemlich hohen Alters, vor allem aber wegen seines angeschlagenen Gesundheitszustandes (er hat einen Knochentumor im Ellbogen und erhält dauerhaft Schmerzmittel) nicht mehr in der Lage, durch „Jagderfolg“, und sei es auf Dummies, zu glänzen. Er kann in unebenem Gelände nicht rennen, sprinten geht gar nicht, und er dürfte das auch gar nicht, weil wir natürlich noch stärkere Schmerzen oder Verletzungen vermeiden wollen. Da sein Gassi also mehr oder weniger einer „Altherrenrunde“ ist, kümmert er sich um Jobs, die im Haus anfallen: Was immer auf den Fußboden fällt apportiert er. Wenn er merkt, dass wir nur einen Hausschuh tragen, sucht er den anderen (und bringt ihn).  Wenn wir uns suchend umblicken, geht er los und hilft: Er weiß, dass dann entweder der Autoschlüssel oder das Mobilteil des Telefons gefragt sind. Er macht das von selbst, weil er es genießt, dass wir uns dann freuen wie Bolle und ihn toll finden (und womöglich einen Thunfischkeks rausrücken). Besonders bedeutsam ist für ihn das Bewachen von Haus und Garten, das er als seine Hauptaufgabe wahrnimmt: Er meldet alles, was fremd ist oder für ihn bedrohlich erscheint (seit wir Indie als kleinen Welpen bekommen haben wissen wir exakt, wie viele Greifvögel am Tag unser Grundstück überfliegen. Greifvögel haben einen eigenen Alarmton…).

First comes the pack: Indie kümmert sich um den kranken Nero
First comes the pack: Indie kümmert sich um den kranken Nero
First comes the pack II: Indie kümmert sich um den kleinen Momo
First comes the pack II: Indie kümmert sich um den kleinen Momo

Training oder Ausbildung eines Hundes ist also das eine, da geht es darum, dass der Hund durch geeigneten Methoden Signale mit Handlungsmustern verknüpft (also im Sinne der operanten Konditionierung lernt). Dabei ist zu beachten, dass alle Tiere durch positive Verstärkung wie Lob, Bällchen, Leckerli oder jede andere als Belohnung empfundene Sache ungleich besser lernt als durch Strafe, und sei sie noch so „milde“. Da kann ein gebrülltes „Nein!“ schon jeden Lernvorgang blockieren.

Die Beziehung zum Hund ist das andere, wie ich finde noch wichtigere Element im Zusammenleben mit ihm. Wenn die Beziehung für den Hund keinen Sinn macht, weil er sie nicht versteht, nutzt auch das beste Training nichts: Ein Agility-Champion, der auf dem Gassi Radfahrer „hütet“ (also hetzt, wie der Radfahrer es ausdrücken würde…), ist nicht entspannt. Der Besitzer und der Radfahrer auch nicht, vor allem wenn das an dieser Stelle nun sehr angebrachte gebrüllte „Nein!“ wirkungslos bleibt.

Was hat man nun als Mensch davon, wenn man versucht, seinen Anthropozentrismus zu begrenzen und seine Hunde als andersartige, aber trotzdem bedeutsame Mitglieder seines sozialen Gefüges zu betrachten?

Indie und Anni beim Gassi
Indie und Anni beim Gassi

Ich mache folgende Erfahrungen:

1. Ein nicht unerheblicher Teil meiner Mitmenschen findet das (und mich) wohl, äh, sagen wir mal, seltsam.

2. Ich erhalte konstant Einblick in das Sensorium und die Fähigkeiten einer anderen Art – was mir als Mitglied meiner eigenen Spezies völlig verborgen bliebe.

3. Das artgemischte Sozialgefüge ist komplex, aber erfreulich unkompliziert – das kann ich nicht von allen rein menschlichen Sozialgefügen behaupten, in denen ich mich bewege.

Persönliches Fazit: Nach fast einem ganzen Leben mit Hunden fehlt mir jegliches Argument dafür, meinen Anthropozentrismus nicht überwinden zu wollen.

 

3 thoughts on “Arbeit ist das halbe Leben

  • 27. März 2014 um 19:55
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    Ich glaube ich werde auch Lehrer, da hat man so viel Zeit……….. 🙂

    • 27. März 2014 um 20:03
      Permalink

      Ja ja, der gut bezahlte Halbtagsjob… Berufswahl ist eben auch eine Frage der Intelligenz 😉

  • 14. Juli 2014 um 16:43
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    Gott, sind Deine Monster süß!!!
    Da wird man ja ganz neidisch! Grüßle an alles, was da bei Dir so kreucht und fleucht!

Kommentare sind geschlossen.